Liebe Freunde der Norddörfer Kirchengemeinde!

Wir gehen zu dritt an einem schönen, stürmischen Wintertag am Strand Richtung Süden. Vertrauen ist gerade ein großes Thema. Bei meinem Freund Dieter kriselt es nach 20 Jahren in seiner Beziehung. Eine Affäre, die ihn in tiefe Zweifel gestürzt hat.

„,Vertrauen ist eine zarte Pflanze; ist es zerstört, so kommt es sobald nicht wieder’, sagt Otto von Bismarck. Bei mir ist die Pflanze noch nicht wieder angewachsen!“

Ulrike hat die letzten Monate genossen. Sie hat in diesem Sommer erfolgreich ihr Leben neu ausgerichtet. Ulrike ist ein Sonnenschein. Egal, was kommt, sie findet lächelnd immer einen Weg, dem Schlechten etwas Gutes abzugewinnen.

„Vertrauen ist die Basis von allem. Laotse hat Recht: ‚Wer nicht genügend vertraut, wird kein Vertrauen finden.‘ Vor ein paar Minuten haben wir das Haus verlassen. Wir haben eine Straße überquert, sind bei Windstärke 7 an Häusern vorbeigegangen und sind jetzt in der Dämmerung auf ungeschütztem
Terrain am Meer unterwegs. Ohne ein Grundvertrauen wären wir nicht hier. Jederzeit könnte uns ein Auto überfahren, ein Dachziegel erschlagen oder ein Schurke überfallen.“

„DASS ICH HIER AUF ERDEN
VON GOTT GEWOLLT BIN,
VERLEIHT MIR WÜRDE.“

Dieter sagt: „So einen Restbestand Vertrauen habe ich auch noch. Aber in Menschen habe ich kein Vertrauen mehr.“ Ulrike erwidert: „Das verstehe ich und widerspreche Dir trotzdem. Ohne Vertrauen in Menschen können wir mit niemandem zusammen leben. Selbst unser Spaziergang wäre nicht möglich. Wir müssen anderen vertrauen, dass sie Zusagen halten, Wissen diskret behandeln, Überlegenheit nicht ausnutzen, Wenn wir ihnen vertrauen, dann stärken wir sie. Unser Vertrauen hilft ihnen, dass sie sich verändern können.“
Dieter ist nicht überzeugt. „Schön gesagt. Aber es sind nur Worte. Wie soll ich jemandem vertrauen können, der seine Zusagen nicht eingehalten hat? Der meine Schwäche und Sorglosigkeit ausgenutzt hat?“

Ulrike antwortet: „‚Nie aufhören, neu anzufangen‘, hat mir ein Bekannter gesagt, als ich mit meiner ersten Firma kurz vor der Insolvenz stand und nicht wusste, wie es weitergehen soll. War sicher nur so eine Floskel, aber ich habe es mir gemerkt. Vertrauen bedeutet für mich, nicht an der Vergangenheit hängen zu bleiben, sondern nach vorne zu blicken. Zutrauen zu haben, dass die Gegenwart und Zukunft gut werden können. Wir können, was schlecht und böse in der Vergangenheit war, nicht mehr ändern. Aber das bedeutet nicht, dass es heute und in Zukunft genauso schlecht und böse weitergehen muss!“ Dieter schaut sie an. „Murphys Gesetz sagt etwas anderes: Was schiefgehen kann, wird auch schief gehen…“
„‚Es wird schiefgehen, wenn du daran glaubst‘, sagt Murphy. Und da sind wir wieder beim Thema Vertrauen,“ erwidert Ulrike.

„Was ist eigentlich mit Dir, Rainer? Vertraust du als Pastor nur Gott oder auch den Menschen?“ Dieter blickt mich fragend an.
„Gottvertrauen und Menschenvertrauen sind für mich unmittelbar miteinander verbunden!“
Dieter fragt: „Kannst du das etwas genauer beschreiben?“

„Ich glaube daran, dass Gott den Menschen liebt. Nicht als die Sieben-Milliarden-Masse, sondern wirklich jeden Einzelnen von uns. Mit jedem Einzelnen hat er etwas vor. Keiner ist zufällig da, sondern jede und jeder von uns ist gewollt.“

Ulrike zweifelt: „Steile These. Ich habe ja auch viel Vertrauen. Aber Dein Gott hat da eine schier unmögliche Aufgabe!“
„Das ist wahr. Dennoch glaube ich daran, dass wir nicht zufällig hier auf Erden sind, sondern gottgewollt. Und dieser Glaube macht mich selbstbewußt. Nenne es Urvertrauen. Denn, dass ich hier auf Erden von Gott gewollt und gewünscht bin, verleiht mir Würde. Gilt natürlich nicht nur für mich, sondern auch für euch beide. Und das gilt nicht nur heute. Gilt nicht nur in glücklichen Zeiten. Es gilt ebenso, wenn ich versagt habe, wenn ich verletzt und enttäuscht wurde. Und es gilt in den Zeiten des Abschieds. Ich glaube daran, dass Gott mich hier auf Erden haben will, solange ich atme. In der griechischen Sprache gibt es nur ein Wort für glauben und vertrauen. Das trifft es für mich. Statt ‚Ich glaube an Gott‘, kann ich auch sagen: ‚Ich vertraue diesem Gott, der den Menschen liebt.‘ – Und dieses Vertrauen macht mich stark.“

Dieter sagt: „Kannst Du mir mal die Kontaktdaten von Deinem Gott rüberschicken? So einen bräuchte ich gerade: einen, der mich stark macht. Ich glaube, dann könnte ich auch meiner Ex wieder Vertrauen schenken.“
„Kontaktdaten brauchst Du nicht. Er ist ja da. Beten hilft mir – und ich zünde gern eine Kerze in den Kirchen an. Es hilft mir, mich zu erinnern.“
Ulrike fragt: „Es hilft Dir Dich zu erinnern? Woran?“

„An Gott und dass er mir hier etwas zutraut. Und an Menschen, die mir wichtig sind und denen ich wichtig bin, weil sie mir vertrauen und weil ich ihnen vertraue.“

Viele schöne Momente im Jetzt zu erlauben
und fest auf morgen zu vertrauen,
das wünsche ich Euch und Ihnen in dieser fordernden Zeit

Auf ein baldiges Wiedersehen freut sich Ihr

Pastor Rainer Chinnow

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